ERINNERUNG AN DIE GEGENWART

 

 

 


 

VORWORT

 

 

 

Die Beschreibungen und Überlegungen, die dem Leser mit diesem Buch vorgelegt werden, stellen einen Versuch dar, das Wesen der Zeit so weit zu beschreiben, wie es nach heutigem Kenntnisstand möglich ist. Der Text bedient sich dabei der verschiedensten Disziplinen, stellt Verbindungen zwischen diesen her und bietet damit eine neue Sicht auf das Mysterium der Zeit.

 

Die Thematik wurde vom Autor auf etwas verschlungenen Wegen erreicht. Die zu Beginn gestellte Aufgabe galt zunächst der Frage, wie sich in unserem Gehirn die Welt zu dem konstituiert, das für uns die Realität darstellt. Bei den Recherchen und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen zu diesem ursprünglichen Thema, hat sich mehr und mehr herauskristallisiert, dass bei der Beurteilung dessen, wie das Bewusstsein seine Realität formt, der Faktor Zeit eine überragende Rolle spielt. Die Zeit scheint, wie viele Indizien dieses andeuten, im Verhältnis zum Bewusstsein vollkommen anders zu bewerten zu sein, als dieses angenommen wird. Viele Hinweise existieren, die andeuten, dass dieses Verhältnis umzukehren ist. Nicht die Zeit formt das Bewusstsein, sondern in einer zu formulierenden neuen Form, das Bewusstsein die Zeit. Es ist eine Binsenweisheit, dass das Phänomen „Zeit“ auch ohne Bewusstsein existiert. Es handelt sich folglich nicht um eine Arbeit, die unterstellt, dass die Zeit ein Produkt des Bewusstseins sei. Dieses klingt zunächst nach Widerspruch, doch es ist nicht die Zeit an sich, die einem Paradigmenwechsel zu unterwerfen ist, sondern das, wie wir die Zeit wahrnehmen und beschreiben, sowie das Gegenüber von Bewusstseins und Zeit. Behandelt werden soll die Frage, wie sich die Zeit für unser Bewusstsein offenbart und ob die Wahrnehmung von Zeit, dem wirklichen Wesen des Phänomens „Zeit“ gerecht wird. Verifizierte Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung lassen die Charakteristik der Zeit in einem neuen Licht erscheinen. Die Wahrnehmung von Zeit stimmt offenbar mit dem eigentlichen Wesen der Zeit nicht überein.

 

Fehlt eine solche Übereinstimmung, dann ist die Untersuchung der Gründe einer derartigen Fehlwahrnehmung folgerichtig. Je intensiver das Problem untersucht wurde, umso mehr wurden Schnittmengen erkennbar, die über das allgemein bekannt Maß hinaus reichen. Mehr und mehr stellte sich dar, dass die Betrachtungen nicht nur aus der isolierten Sicht der Neurobiologie und der Physik erforderlich sind, sondern das Spannen eines weiteren Bogens notwendig ist, von dem der folgende Text geprägt ist. Mit der Fragestellung nach der Art, der Natur und den physikalischen Bedingungen unserer erlebten Welt, ergab sich eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, die als so genanntes „Qualiapro-blem“ bezeichnet wird. Das „Qualiaproblem“, also die Frage, wie sich aus den neuronalen Vorgängen des zentralen Nervensystems das Abbild der Welt konstituiert, gilt als eines der größten Rätsel der Menschheit. Als nicht minder gewaltig gilt die Frage zum Wesen der Zeit. Beiden Fragen ist es zueigen, dass es offenbar einer neuen Perspektive bedarf, die beide Phänomene verbindet. Diese Verbindung der beiden Phänomene liefert, nach Überzeugung des Autors, den Schlüssel zu beidem.

 

Neuronale Vorgänge sind gut untersucht. Eine Vorstellung jedoch von dem, wie aus diesen neurophysikalischen Vorgängen ein Bewusstsein erwächst, existiert nicht. Es sind lediglich rudimentäre Ansätze vorhanden, die allesamt auf den Vorgängen basieren, denen sich die Neurologie widmet. Verfolgt man die Absicht, zu ergründen, wie neuronale Prozesse dafür verantwortlich gemacht werden können, dass sich in unserem Gehirn eine Wirklichkeit formt, die mit dem überein zu stimmen scheint, was wir als Realität zu bezeichnen pflegen, dann erwächst daraus zwangsläufig das Erfordernis, auch erfassen zu versuchen, was diese seltsame Realität denn überhaupt ist. Ohne eine Beschreibung dessen, was im Prozess der Qualia abgebildet wird, ist das, was als Wirklichkeits-konstrukt in unserem Bewusstsein verwaltet wird, naturgemäß prinzipiell unvollständig. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Beschreibung nur bruchstückhaft möglich ist. Entbunden sind wir dabei jedoch nicht von der Aufgabe, fundamentale Prinzipien aufzuzeigen, die den Zusammenhang der Rätsel von „Zeit“ und „Qualia“ herzustellen vermögen. So werden auch diese Ausführungen notwendigerweise nicht ein vollständiges Bild liefern können, doch im Bezug auf das hier zu behandelnde Thema wird der Versuch unternommen, soweit das möglich ist, das an Realität zu beschreiben, was uns zum Verständnis über das Verhältnisses von Zeit und Bewusstsein hilfreich sein kann.

 

Das, was letzten Endes als Projektion in unser Bewusstsein gelangt, ist unmittelbar im zeitlichen Sinne. Wir existieren nicht nur physisch, sondern –vielmehr insbesondere- psychisch in dem, was als Gegenwart bezeichnet wird. Nicht die Vergangenheit, nicht die Zukunft projiziert sich als Qualia, sondern ausschließlich die Gegenwart, die für uns die unmittelbare Realität ist oder zumindest zu sein scheint. Dieses gilt selbstverständlich auch für Erinnerungen und Zukunftsprojektionen, die Phänomene gegenwärtiger Prozesse des Bewusstseins sind. Diese Formulierungen lassen erahnen, dass der Begriff der Zeit zu dem zentralen Thema der Überlegungen werden musste. Sie lassen zugleich jedoch auch die Vermutung zu, die Beschreibungen zum Thema „Zeit“ würden sich auf den Aspekt des einzelnen individuellen Zeitkontingentes verengen, da die ursprüngliche Intention dieser Ausarbeitung, die Erklärung der Wahrnehmung und die aus ihr resultierenden Prozesse war. Dieses trifft nicht zu, da die Auseinandersetzung mit dem Thema ergeben hat, dass die gefundenen Beschreibungen der Zeit, sich mit dem gesamten Zeitbegriff, also mit allen Formen der Zeit zu befassen haben. Damit sind dann auch durchaus die Bereiche der Zeit gemeint, die nicht der eigenen Erlebenszeit zuzuordnen sind. Trennen lässt sich die persönliche und individuelle Zeitebene vom Gesamtphänomen der „Zeit“ in den behandelten Themen ohnehin nicht. Dieses ist nicht nur deshalb nicht möglich, weil die individuelle Zeit eigenen Lebens, selbstverständlich Bestandteil der Gesamtzeit ist, sondern insbesondere deshalb, weil –wie herausgearbeitet werden wird- das Bewusstsein verantwort-lich dafür ist, wie wir Zeit zu verstehen pflegen und dass sich mit diesem Verständnis, eine korrekte Sicht auf Wesen der Zeit verstellt.

 

Wir werden sehen, dass unsere eigene Partizipation am Phänomen „Zeit“, uns den Blick für das korrekte Verständnis des Phänomens „Zeit“ immanent verstellen muss. Die Ausarbeitung hat ergeben, dass das Phänomen „Gegenwart“ nur deshalb existiert, weil es das Bewusstsein gibt. Die Gegenwart ist herausgehoben aus der Gesamtheit der Zeit, erscheint uns als das „einzig wirklich Reale“, besitzt aber tatsächlich nur einen imaginären Charakter. Nachgegangen wird der Frage, wie es zur Extraktion von Gegenwart durch das Bewusstsein kommt und wie sich deshalb der „Irrtum Gegenwart“ etabliert. Maßgeblich für die Überlegungen sind dabei weder mystische, noch esoterische Ansätze, sondern Erkenntnisse, die sich in der Quantenphysik, der klassischen Physik, der Neurologie, der Psychologie, der Kosmologie ergeben haben. Diese zueinander ins rechte Verhältnis zu setzen, daraus die notwendigen Schlüsse zu ziehen und sie in ein philosophisch und physikalisch kohärentes Gerüst einzubringen, hat letzten Endes zum vorliegenden Text geführt, der Grundzüge eines einheitlichen Bildes der Komponenten „Bewusstsein“ und „Zeit“ und deren Verhältnis zueinander, darzustellen versucht.

 

Die Gefahr des Ausuferns ist bei einer derartig komplexen Thematik zwangsläufig gegeben. Einige Bereiche, die zur Untermauerung der Überlegungen hätten angeführt werden können, wurden aus diesem Grund willentlich ausgeklammert und späteren Manuskripten vorbehalten. Etliche Schlussfolgerungen, die auf den Überlegungen gründen, müssen der Über-sichtlichkeit wegen unerwähnt bleiben, obgleich sie geeignet erscheinen, etliche Phänomene einer Erklärung zuzuführen, die einer solchen bislang noch entbehren oder anderen Ursachen zugeschrieben werden. Andere Bereiche werden hingegen sehr ausführlich behandelt. In dieser Intensität ins Detail zu gehen, ist vermutlich für das Erfassen des Textes etwas erschwerend, für das Verständnis der Materie jedoch sehr förderlich. In der Ausarbeitung finden sich beispielsweise einige Rückverweise, die den Zusammenhang zwischen unter-schiedlichen Bereichen erhellen und die gründliche Aufarbeitung mancher Themen dann mehr als verdeutlichen.

 

Wenn auch mehrfach kognitive Fähigkeiten in diesem Text thematisiert werden, so richtet sich unser Blick vordringlich nicht auf diesen Bereich der Neurologie, Neurophysiologie und Psychologie, sondern auf den Aspekt unseres Bewusst-seins, der nahezu losgelöst, von den Fragen des Intellektes scheint. Abseits der mehr oder minder ausgeprägten Fertigkeiten der Abstraktion, der Analyse und Synthese, steht dem Bewusstsein etwas zur Verfügung, auf dem dessen Fähig-keiten erst gründen. Wir bezeichnen dieses allgemein als Wahrnehmung und nehmen mit diesem Begriff bereits einen wesentlichen Begriff vorweg, der verantwortlich für unser Verständnis vom Zeitbegriff und für die Realität im Allgemeinen ist. Wir „nehmen wahr“ und halten damit das Wahrgenommene auch für „wahr“. Die letzten Jahrhunderte, etwa seit Beginn der Neuzeit haben zunehmend ergeben und das menschliche Bewusstsein hat zur Kenntnis nehmen müssen oder dürfen, dass sich unsere unmittelbaren Wahrnehmungen lediglich mit einem Ausschnitt der Realität befassen. Immer wieder wird uns vor Augen geführt, dass das augenscheinlich Wirkliche nichts anderes ist, als ein Trugbild. Als Beispiel kann hier gelten, dass das, was wir mit Teleskopen im Kosmos in unserer Gegenwart sehen, Erscheinungen sind, die –nicht mehr- Gegenwart sind. In früheren Zeiten ist man hingegen von einer solchen Simultanität unkritisch ausgegangen.

 

Das Verständnis dafür, dass sich hinter dieser wahrgenommenen Wirklichkeit mehr verbirgt, als das augenscheinlich Offensichtliche, hat gewaltig zugenom-men. Weniger von dem, was wir für wahr halten, beruht deshalb heute auf Glauben oder Annahmen, im Vergleich zur früheren Epochen. Wir haben gelernt, offene Fragen als noch nicht geklärte Rätsel zu akzeptieren und machen uns damit frei dafür, nach Antworten zu suchen, anstatt, wie in Vorzeiten, ungeklärte Sachverhalte zu mystifizieren. Das erworbene Wissen ist beträchtlich angewachsen und ist kaum noch vergleichbar mit den Zeiten, als das Wissen der Welt als unabänderlich galt. Je umfangreicher jedoch unser Wissen geworden ist, umso rätselhafter wirken manche Bereiche und umso mehr Fragen tauchen auf. Daneben existieren aber auch noch immer Aufgaben und Fragestellungen, die seit Jahrtausenden den menschlichen Intellekt beschäftigen, weil schon immer und immer noch als Rätsel angesehen wurden. So konnte bislang nicht erklärt werden, wie sich aus den Signalen, die unsere sensorische Oberfläche dem ZNS liefert, gleichsam ein Abbild dessen entsteht, was unsere Welt ist.

 

 

 

Kapitelübersicht 

 

 

Vorwort

Illusion der Zeit

Zeitpfeil

Die Gegenwart

Modell Zeitkörner

Sequenzierung, Partikularität

und Determinismus

Wahrnehmungsgrenzen

Gegenwart und Wahrnehmung

Philosophische Ansätze

Hermann Weyl und die Lebenszeit

Synthese der Gegenwart, oder,

das einzig Reale existiert nicht

Metaphysische Raumzeit?

Paradoxien

Durchlässigkeit der Zeit

Geisterhafte Fernwirkung

Doppelspaltexperiment

Gegenwart als Wahrnehmungskonstrukt

Verschränkung der Zeit

Mikro-/Makrokosmos

Fernwirkung II

Quantenfeldtheorie

Eigenes Konzept

Holismus

E = mc2

Raumkoordinaten

Der geometrische Punkt existiert nicht!

Einstein und die Bewegung

Definition des Bewusstseins

Abgrenzung und Einbindung

Das „Jetzt“ des Individuums

Resonanzen

Das Ich und die Realität

Traum und REM

Abstraktionsvermögen

Verarbeitung

Integrationseignung

Dèjá-vu

Absorbertheorie

Symbiose

Erinnerungen

Irrtum und Realität

Magritte und die Semantik,

oder über die Irrtümer im individuellen Quantenfeld

Unterbewusste und bewusste Realität

Erwachen

Verdrängung

Modulation

Gegenseitigkeit

Gedankenfluss und Ladung

Holismus und Interferenzen

Holismus und die Bewegung

Stillstand

Bewegung - Wahrnehmung und Erinnerung

Enzyme, Beispiel der Komplexität biologischer Information

Wechselwirkungen

Oder die Konstituierung von Gegenwart und Bewusstsein

Nichtlokalität und Antiteilchen

Teilchen und Antiteilchen

Vorläufige Bilanz

Insellösung

Setzungen

Informationsnetz

Naturkonstanten und Biologiekonstanten

„Unordnung Krebs“

Archaische Muster

Präkognition

Nahtodeserfahrung

Schmerzprävention  

Bewusstseinsfluss

Chronologische Disparitäten